KLASSEnSÄTZE-Sieger 2017 in der Altersgruppe 7.-9. Klasse:


Henrike Höfs vom Gymnasium Meiendorf (8d) mit dem Text „Phase 1: Die Verleugnung“

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Der siegreiche Text von Henrike Höfs erschien am 20./21. Mai 2017 im Hamburger Abendblatt. Laden Sie ihn sich hier als PDF herunter.
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(Phase 1: die Verleugnung)

89% Akku

Vor vier Stunden und einer Minute bin ich am Strand zu mir gekommen. Außer mir ist niemand hier. Zugegeben, unter anderen Umständen wäre ich gerne hier. Ich hatte schon immer eine Vorliebe für weiße Strände, türkis leuchtendes Meer und makellos blauen Himmel, wer denn auch nicht. Aber alleine auf einer Insel zu sein ist kein gutes Gefühl. Es wird wohl nicht lange dauern, bis man mich findet. Mir bleibt nichts anderes übrig als abzuwarten und darauf zu hoffen, dass mein Handy- Akku möglichst lange hält.

 

81% Akku

Es ist immer noch niemand gekommen. Nicht mal im Entferntesten. Ich habe nach Schiffen Ausschau gehalten, aber habe noch keine gesichtet, und Hubschrauber auch nicht. Langsam werde ich unruhig. Es ist wohl das Beste, mich erst mal auszuruhen.

Ein Sonnenuntergang in den Tropen ist mit das Schönste, was ich je gesehen habe. Das unbewegte Wasser spiegelt das Tieforange des Himmels wieder, während die Sonne die Wolken in goldenes Licht tunkt. Trotzdem kann ich nicht aufhören, mir Sorgen zu machen. Ich befürchte, ich muss die Nacht hier draußen verbringen, auf einer Insel, über die ich nicht mal weiß, wie sie heißt, geschweige denn, wer außer mir noch hier lebt.

 

77% Akku

Es ist 4 Uhr morgens, bis eben habe ich am Strand geschlafen. Ich war eigentlich ganz dankbar dafür gewesen, dass es nachts etwas weniger schwül ist. Aber irgendwas in den Palmendächern kreischt so unglaublich schrill. Bei dem Gedanken daran, was für ein Massaker sich da oben abspielen mag, wird mir schlecht. Aus dem Urwald dringen so viele laute Geräusche, dass es fast unmöglich ist, sich zu entspannen oder ruhig zu werden. Die letzten paar Minuten habe ich unfreiwillig damit verbracht, mir alle möglichen Szenarien auszumalen, was alles schief gehen könnte, bevor ich gerettet werde. Ich hoffe, es dauert nicht mehr lange.

 

(Phase 2: der Zorn)

65% Akku

Es ist inzwischen Mittag. Ich habe kaum geschlafen. Ich bin überreizt und habe Kopfschmerzen. Sie hätten schon längst da sein müssen. Das war so nicht geplant. Ich sollte nicht alleine auf einer Insel festsitzen, ohne Essen, Trinken oder jegliche andere Versorgung. Langsam setzt sich der Gedanke in mir fest, sie haben mich vergessen. Oder einfach aufgegeben, nach nicht mal einem Tag. Ich hasse das Gefühl, ausgeliefert zu sein. Hier warten zu müssen, ohne so richtig zu wissen, was ich tun kann. Ich habe Hunger und Durst. Am Strand habe ich Müll gefunden, sonst nichts.

 

58% Akku

Ich. Hasse. Diese. Insel. Die Luft hier ist so unfassbar dick, dass es allein schon anstrengend ist, zu atmen. Das Rauschen des Meeres entspannt mich nicht, es brennt und macht es unmöglich, sich zu konzentrieren. Wie unfähig müssen die Leute sein, die nach mir suchen??

Es ist nicht auszuhalten. Ich bin zu heiser vom Schreien und zu erschöpft, um zu weinen.

 

56% Akku

Panik

 

(Phase 3: das Verhandeln)

51% Akku

Ich habe angefangen, den Strand weiter abzusuchen. Dabei habe ich alles Mögliche gesammelt an Müll und Holzresten, sogar eine Glasflasche, mit der ich versuchen könnte Feuer zu entzünden. Vorausgesetzt, ich sammele noch mehr leichter brennendes Material, wie Fasern, die ich vielleicht bei den Palmen finden könnte. Vielleicht könnte ich so überleben, wenigstens für ein paar Tage.

 

44% Akku

Ich habe einen Einsiedlerkrebs gefunden. Ich nenne ihn Hope. Wenn ich ihn so ansehe, wie er hilflos in meiner Hand zappelt, weiß ich, dass immer noch welche gibt, die ärmer dran sind als ich. Ich habe ihn erst mal in der Glasflasche untergebracht. Jetzt haben wir schon mal was gemeinsam- wir sitzen beide fest. Dann bin ich nicht ganz so allein.

 

39% Akku

Es dämmert schon. Vorhin haben Hope und ich Muscheln gefunden. Eine von ihnen habe ich mit einem Stein geknackt und gegessen, aber ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee war. Ich kannte die Muschel nicht, sie sah von außen widerlich aus, aber besser als nichts, dachte ich mir. Nur liegt sie mir so schwer im Magen. Ich habe Sorgen, dass ich eine Lebensmittelvergiftung habe, mir ist kotzübel.
 

(Phase 4: die Depression)

34% Akku

Die Nacht war schrecklich. Ich habe kaum geschlafen. Mir ist schlecht, und ich habe mich wirklich mehrmals übergeben. Mein Hals brennt und kratzt vor Magensäure, mein Mund ist trocken, meine Lippen so spröde, dass sie einreißen. Inzwischen habe ich nicht nur noch Bauchschmerzen vor Hunger, sondern auch von der Muschel. Ich brauche mehr Behälter, in denen ich Trinkwasser sammeln kann, aber ich kann kaum noch Kraft zusammenbringen um mich zu bewegen, weder mental, noch physisch.

 

21% Akku

Hope geht es nicht gut. Er bewegt sich kaum noch, hängt nur noch schlaff herum. Er isst nichts, aber ehrlich gesagt weiß ich auch nicht was Einsiedlerkrebse essen. Es scheint so, als hätte er aufgegeben.

 

19% Akku

Hope ist tot. Mir ist es erst nicht aufgefallen, aber er rührt sich nicht mehr und reagiert nicht auf Berührungen. Er war der Einzige, der außer mir auch hier festsaß. Ich dachte, ich würde das durchstehen, mit ihm zusammen. Ich hatte mich wohl vertan, was uns beide betrifft. Ich wollte ihn eigentlich begraben, aus moralischen Gründen. Aber ich habe Hunger und ich kann es mir nicht leisten, essbares wegzuschmeißen. Also habe ich ihn gegessen. Er schmeckte fahl und kalt und nahrhaft war er wohl auch nicht. Er liegt mir wie Blei im Magen. Ich ekel mich vor mich selber. Ich muss an ihn denken. Und dass ich, so wie es aussieht, höchstwahrscheinlich genau so enden werde.

 

13% Akku

Ich habe keine Hoffnung mehr. Hilfe wird nicht kommen. Ich realisiere es erst jetzt. Das war mein Leben. Es hätte ganz normal verlaufen können, aber ausgerechnet ich bin hier gelandet.

 

(Phase 5: die Akzeptanz)

09% Akku

Mein Handy hat fast keinen Akku mehr, also bleibt nicht mehr viel Zeit. Ich liege am Strand und genieße die Sonne. Ich denke nach, über mein Leben und das Leben insgesamt. Ich dachte die ganze Zeit über, es war ein Fehler, das Schiff zu betreten. Aber wie wäre mein Leben abgelaufen, hätte ich es nicht getan? Vielleicht hätte ich ein langes Leben geführt, um dann alleine in einem Altersheim zu sterben. Oder ich wäre in 5 Tagen einem Schlaganfall erlegen. Aber Fakt ist: Man kann das Unabänderliche nicht ändern, nur unsere Einstellung ihm gegenüber. Ich liege hier, kann das Handy nur noch mit Mühe halten. Der Himmel ist immer noch blau, das Meer rauscht immer noch und das wird es auch weiterhin, selbst wenn es mich nicht mehr gibt. Wenn ich das so betrachte